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Round not Square lässt die Sau raus

Im Deutschen gibt es eine Fülle wunderbarer Sprichwörter mit Schweine-Thema: Man fährt “wie eine gesengte Sau”, “keine Sau war da”, und wenn man in besonderer Feierlaune ist, lässt man auch mal richtig “die Sau raus”. Wenn man das als Hinweis auf die Rolle des Schweins in der deutschen Kultur liest, kann es nur wenig überraschen, dass es ein Schwein war, das zum Hauptcharakter einem der allerersten deutschen Comics wurde.

Als Ludwig Emil Grimm sich in den Kopf setzte, eine Bildgeschichte über das Leben der “merkwürdigen und liebevollen Sau von Ihringshausen” zu schreiben, hielt ihn – trotz der potentiellen Schwierigkeiten für jedes Storytelling – nicht einmal die notorische Kürze eines durschnittlichen Schweinelebens davon ab. Natürlich ist es schwierig, einen vorzeitigen Tod durch Schlachten zu vermeiden, wenn man ein Hausschwein porträtiert. Aber Grimm zeigt, dass das einer guten Geschichte gar nicht im Wege stehen muss.

Mit spitzer Feder und schwarzem Humor beschreibt er das Leben einer Sau vom Stall bis ins Grab, beziehungsweise zum Metzger … und dann einfach weiter darüber hinaus, bis hin zum wahrscheinlich ersten autobiographischen Bericht eines Schweins in der Literaturgeschichte. Das Ergebnis? Eine ebenso absurde wie lustige Geschichte mit wunderbar detailreichen Zeichnungen die zeigen, dass Grimm nicht nur handwerklich sehr begabt, sondern auch ein scharfer Beobachter der Eigenarten und Schwächen seiner Zeitgenossen war.

Als die Sau geschlachtet ist, und jedes ihrer Körperteile von den Ohren bis zu den Hufen in Berge von Deliktassen verarbeitet wird, drängt sich uns modernen Lesern der Vergleich dazu auf, wie heute Fleisch konsumiert wird. Natürlich hat schon damals zu Grimms Zeiten nicht jedes Schwein eine Würdigung erlebt wie die nun eben besonders liebenswerte und zudem noch außergewöhnlich ergiebige Ihringshäuser Sau. Aber Fleisch war auf jeden Fall keine Selbstverständlichkeit, und die Tiere, von denen es kam, wurden mit Respekt behandelt.

Darum war es besonders schön, dass wir am Erscheinungstag die Sau gemeinsam mit unseren Freunden von Meine kleine Farm rauslassen konnten, der „Online-Metzgerei“ mit Mission: Bewusster Konsum, besseres Fleisch, glücklichere Tiere, Metzger, Bauern und Konsumenten. Das Motto: Weniger Fleisch, mehr Respekt!

Wir sind uns sicher, die Ihringshäuser Sau wüsste das zu schätzen.

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Comics und Buchrollen

Was ist ein Comic? Wo fängt das Medium an und wo hört es auf? Die einen erkennen bereits in steinzeitlichen Höhlenmalereien die ersten Belege der Comickunst, für andere ist Wilhelm Busch der Gründervater des Comics – und dazwischen liegt eine riesige Spanne mit unzähligen Möglichkeiten. Doch all diese Fragen brauchen uns an dieser Stelle nicht weiter zu beschäftigen, denn was sich mit einiger Sicherheit festhalten lässt, ist, dass der moderne Comic, wie wir ihn heute kennen, seinen Ursprung in amerikanischen Tageszeitungen hatte.

Da Comics in den Tageszeitungen anfangs immer eine unterhaltende und vor allem komödiantische Komponente besaßen, gerieten sie schnell in die Ecke für „Schund” und „Kinderkram“. Natürlich sind sie viel mehr als das – trotzdem blieb dem Medium in Deutschland die Anerkennung, gerade im Vergleich zu Frankreich, Japan und den USA, verwehrt. Es gibt Comics, die sich mit wichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen, den Lesern etwas beibringen, neue Perspektiven aufzeigen, Wissen und Werte vermitteln, Fragen aufwerfen oder auch einfach nur gute Freunde gegen die Langeweile werden. Egal ob heldenhaft, abenteuerlich, lustig, politisch, lehrreich, emotional, gruselig, dokumentarisch oder philosophisch; jedes Thema hat seine Daseinsberechtigung und erst diese Vielfalt verleiht dem Medium seine Tiefe.

Obwohl sich der Comic bereits Ende des 20. Jahrhunderts als eigenständige Medienform etabliert hatte, gelang es ihm nicht vollends, das Label der Schundliteratur abzustreifen. Unterstützung im Streben nach Anerkennung erhielt der Comic unerwartet aus einer ganz anderen Richtung: dem Film. Denn das Aufkommen der zahlreichen Comicverfilmungen lieferte dem Medium eine neue Aufmerksamkeit. Ein entscheidendes Puzzleteil dieses Umdenkens war sicherlich Christopher Nolans „The Dark Knight“ (2008), der auf der Liste der weltweit erfolgreichsten Filme aller Zeiten Platz 26 belegt (Stand: 22. September ’16).

Dass auch technische Entwicklungen die Genese des Comics beeinflussten, thematisierte Scott McCloud, selber Comic-Künstler und -Theoretiker, um die Jahrtausendwende mit seinem Werk „Comics neu erfinden“. In der zunehmenden Verbreitung des Heimcomputers und mit dem Aufkommen des Internets sah er das Potenzial neuer Gestaltungsfreiheit und etablierte den Begriff der „unendlichen Leinwand“; womit es ihm vor allem um digitale Comics ging. Durch den Heimcomputer war damals eine neue Art des Lesens angebrochen, die heute selbstverständlich ist, denn die Nutzer der Websites mussten nun „scrollen“, um sie zu lesen. Und wenn es möglich war, Websites auf diese Art zu gestalten, wieso dann nicht auch Comics? Ein Gedanke, der Scott McCloud zur „unendlichen Leinwand“ inspirierte. Die Vielfalt des Comics setzte sich also nicht mehr nur inhaltlich fort, sondern fand auch in der Auseinandersetzung mit den Grenzen des Formats statt.

Ein Künstler, der das Format der „unendlichen Leinwand“ besonders beherzigt hat, ist Daniel Lieske. Mit seiner digitalen Graphic Novel „Wormworld Saga“ (die er kostenlos zugänglich gemacht hat) setzte er praktisch dort an, wo Scott McClouds Theorie hindeutete – ein Comic, der das gängige Format aufbricht und durch seine unendlich anmutende Gestaltung im Lesefluss nicht unterbrochen wird.

Für den Comic ist also die Stunde der Freiheit angebrochen. Das Medium entwächst nicht nur dem ohnehin schon immer falsch gesetzten Label „Kinderkram“, es drängt förmlich in die Richtung der neuen Ideen und Ansprüche, der Freiheit im Denken, der neuen Plots und unverbrauchten Formate. Das gefällt uns natürlich. Und was bietet sich da mehr an, als die neuen digitalen Freiheiten auch physisch umzusetzen? Also arbeiten wir schon seit einiger Zeit an unserem ersten Comic, natürlich nicht alleine, sondern in Persona von Paul Rietzl. Im Herbst erscheint dann sein Werk „Shipwreck“ bei Round not Square als erster Comic auf Buchrolle; mehr dazu gibt es bald. Eine gewisse Aufregung lässt sich an dieser Stelle nicht leugnen und wir geben zu, dass wir mit unseren Buchrollen vielleicht noch ein Stück weit von unendlich entfernt sind – aber mindestens genauso fern sind wir dem gewöhnlichen DIN A4-Format.

Unter den folgenden Links könnt ihr Paul Rietzl folgen und euch jetzt schon Eindrücke zu seinen Arbeiten verschaffen:
Pauls Website | Paul bei Facebook | bei Twitter | bei Tumblr | und Behance